Die Augen Leonardo da Vincis

Leonardo da Vincis Schaffen auf zwei Seiten zu reduzieren, ist eigentlich unmöglich. Für mein Wettbewerb-Exponat „Io Lionardo – Durch die Augen Leonardo da Vincis die Welt neu entdecken" habe ich wichtige Themen auf fünf Rahmen herausgearbeitet und damit schon auf Grund des Umfanges Inhalte reduzieren müssen. Für diesen Artikel habe ich die Struktur meines Exponates hergenommen und thematisch gerafft.

Das Geheimnis der 10.000 Seiten

Seine Skizzen erlauben uns, Schritt für Schritt seinem Weg zu Erkenntnissen zu folgen. Er ist Linkshänder und schreibt in Spiegelschrift. Manche dichten ihm damit eine Geheimschrift an, dabei ist dieser Schreibfluss für Linkshänder um einiges leichter und logischer. Kunsthistoriker widmen sich seinen Bildern; seine Skizzen und Gedankengänge in den Notizbü-chern aber bleiben ihnen unverständlich. Herzchirurgen, Physiker oder Ingenieure jedoch können sie aus Sicht ihres Fachs nachvollziehen – und geraten ins Staunen: Sage mir, ob jemals etwas Ähnliches gemacht wurde. Ich verstehe, und das genügt vorerst.*)

Auf jeder Seite seines Notizbuches zeigt er uns eine neue Welt: Warum machst du also nicht ein solches Werk, dass du nach dem Tod gleich einem vollkommenen Lebenden wirst, anstatt schon bei Lebzeiten im Schlaf den bedauernswerten Toten zu gleichen? Sigmund Freud schrieb über ihn: „Er glich einem Menschen, der in der Finsternis zu früh erwacht war, während die anderen noch alle schliefen.“ Seine Arbeiten geben einen Vorgeschmack auf die heutige Zeit, in der die Menschen die Kräfte der Natur verstehen und sich mit Maschinen umgeben.

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Was erkennen Sie auf diesen Bildern? Europa Markenheft Bulgarien 2003.

Der Blick als besondere Gabe

Ist er wirklich mit einem übermenschlich scharfen Auge begnadet oder zieht er aus winzigen Auffälligkeiten einfach nur die richtigen Schlüsse? Sein ganzes Wissen beruht auf Wahrnehmung. Seine besondere Maltechnik verleiht der Mona Lisa eine vage Andeutung eines Lächelns, welches bei Einzelbetrachtung von Mund oder Augenpartie nicht vorhanden ist. So versucht er, der Dreidimensionalität näher zu kommen. Mit freiem Auge und absoluter Genauigkeit studiert er den Flug, die Bewegungen der Federn und die Flügel der Vögel. Der heutige Forscher braucht die Zeitlupentechnik, um solche Beobachtungen zu tätigen. Seine Stärke liegt darin, aus dem Talent den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. So entwickelt er eine besondere Art des Denkens. Gezielt trainiert er seine Kreativität. Im Geiste mit Bildern und Formen zu jonglieren, stellt hohe Forderungen an das Wahrnehmungsvermögen: Ich beobachte die Haltungen und Gebärden der Menschen beim Sprechen, beim Streiten, beim Lagen oder Raufen, wie sie selbst sich dabei benehmen und wie die Umstehenden sich verhalten. Ausserdem möchte ich das Zusammenspiel dieser Muskeln mit dem Gehirn ergründen.

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Ob das Dreieck, das ins stille Wasser geworfen wird, eine kreisrunde Welle bildet?

Von Neugier getrieben

Jeder Mensch wird neugierig geboren. Leonardo will die Welt verstehen. Seine Neugier durchdringt und bereichert seine alltäglichen Erfahrungen. Sein ausgeprägtes Verlangen, die Dinge bis in ihr Innerstes erkunden zu wollen, lassen ihn einen besondere Forschungsstil entwickeln.

Leonardo begnügt sich nicht damit, an der sichtbaren Oberfläche die menschliche Anatomie zu untersuchen. Er will wissen, wie der Körper in seinem Innersten funktioniert und seziert dafür Herzen, Hirne und die Fortpflanzungsorgane. Forschen heißt Grenzen überschreiten ... schreibt Leonardo, als Papst Leo X. herausfand, dass er drei Leichen gehäutet hatte.

Er füllt seine Notizbücher mit hunderten Skizzen von künstlichen Flügeln, Antriebsmechanismen und Vogelschwingen. Leonardo stößt in Bereiche der Physik vor, in denen das anschauliche Denken allein nicht mehr genügt.

 

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Proportionsstudie nach Vitruvius

Faszinierende Ergebnisse

Sein Drang nach Erkenntnis entwickelt ein Eigenleben. Er hat ein besonderes Talent, Träume zu wecken und Illusionen zu schaffen. Deshalb ist er ein höchst praxisnaher und gefragter Konstrukteur. Man könnte meinen, seine Manuskripte sind ein Versandhauska-talog, in dem für unzählige Anwendungen praktische Geräte angeboten werden.

Die Quadratur des Kreises ist ein klassisches Problem der Geometrie. Die Aufgabe besteht darin, aus einem gegebenen Kreis ein Quadrat mit demselben Flächeninhalt zu konstruieren. Leonardo bearbeitet dieses Thema äusserst kreativ anhand der These des antiken Baumeisters Vitruvius. Der aufrecht stehende Mensch fügt sich sowohl in die ge-ometrische Form des Quadrates wie des Kreises ein. Für den „homo ad circulum“ setzt er den Zirkel exakt im Nabel an. Beim „homo ad quadratum“ ist dagegen der Schritt der exakte Mittelpunkt des Quadrates.

Den menschlichen Körper betrachtet er mit den Augen eines Technikers: Arme und Beine, selbst die Beißkraft einzelner Zähne folgen dem Hebelgesetz. Anschwellende Muskeln funktionieren wie Keile.

Das Problem seiner Zeit ist, die Feuerwaffen der neuesten Generation richtig einzusetzen. Niemand hat eine genaue Vorstellung davon, nach welchen Gesetzen ein Geschoss eigentlich fliegt. Für Leonardo ist die Frage nicht nur von militärischem Wert, viel mehr interessiert ihn das grundlegende Problem, die Gesetze der Bewegung zu finden: Ganz ohne Mathematik, nur durch ein kluges Experiment mit einem Wassersack zeichne ich treffend die Bahnen von Geschosskugeln.

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"DA VINCI - Die Schule für ds 21. Jahrhundert" auf Freistempel

Das Vermächtnis bleibt

Er gilt heute als der Inbegriff eines Universalgenies. Als Genie soll jemand verstanden werden, der überragende geistige Leistungen tatsächlich erbracht hat, während der Intelligenzquotient nur die Kapazität zur Erbringung dieser Leistung angibt. Die Intelligenz alleine ist nicht ausschlag-gebend; Kreativität, Fantasie und Intuition sind weiter Faktoren.

Die Lobrede auf seine Mona Lisa hat die Zeit überdauert: „Wahrhaftig, man kann sagen, dies war nach einer Weise gemalt, die jeden starken Künstler und überhaupt jeden erbeben und Ehrfurcht empfinden ließ. ... Durch die Herrlichkeit der Werke dieses göttlichen Künstlers war sein Ruhm so gewachsen.“

Er selbst sagt: Was hältst du also von deiner Art, Mensch? Bist du wirklich so klug, wie du dir einbildest?

Das Thema Leonardo da Vinci gibt so viel mehr her als eine Motivsammlung mit seinem Selbstporträt, seinen wenigen Bildern oder Zeichnungen auf Briefmarken und Stempeln. Seine Interessen auf allen Gebieten des Lebens lassen sicher 100 verschiedene Exponate zu, kein Thema braucht sich zu wiederholen und jedes ist ergiebig für viele interessante Sammlungsblätter.