Das gute Leben - was ist das?

Wie das Leben so spielt … Manchmal packt mich einfach die Lust ein Thema philatelistisch aufzuarbeiten. Dass dabei kein übliches Motiv herauskommt, mag wohl an meiner Lust am Experiment liegen – oder einfach daran, dass bereits Bearbeitetes nicht mehr so interessant für mich ist, dass ich mich darauf einlassen muss. Das Neue reizt mehr. Und so ist eine kleine Geschichte entstanden, die möglicherweise auch für andere Thematiker eine Anregung ist. Dass diese Geschichte mit philatelistischem Material belebt genau einen Rahmen ergibt, ist nicht unbedingt ein Zufall. Aber lesen Sie am besten selbst:

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Absenderfreistempel 1995 mit einer zeittypischen Aussage

Die Beschäftigung mit Schuld und Sühne führt unweigerlich zu Fragen der Moral - was gilt (noch) als ethisch vertretbar, was nicht? Und welchen Platz hat Moral in der Politik, welche Wertvorstellungen und Menschenbilder liegen Gesetzen zugrunde? All dies ist heute gesellschaftliche Aushandlungssache.

Wo fängt die Schuld an? Muss ich überhaupt verhandeln?

 

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Raffaels Engel im Bild „Sixtinische Madonna“ als himmlische Vorboten einer neuen Zeit

Und? Heute schon gesündigt?

Meist wird mit Fragen dieser Art auf kleine, alltägliche Verfehlungen angespielt - die vielleicht in der Summe sprichwörtlich, aber für sich gesehen nicht weiter ins Gewicht fallen. Das Konzept „Sünde“ hat nicht nur im heutigen Sprachgebrauch seinen Schrecken verloren.

In Umfragen wird von den alten Todsünden nur noch die Trägheit genannt, mit all ihren Facetten: „Fliegende Dummheit“ von Francesco Goya oder die berühmtesten „Lümmel“ der Kunstgeschichte.

Als „neue“ Sünden tauchen dagegen auf: Selbstsucht, Heuchelei, Intoleranz anstelle von Altruismus, Grausamkeit und Zynismus (just for friends - die breite Menge ist ausgeschlossen).

 

Konsumdeppen, Neidhammel und Pornokonsumenten

Die Todsünden haben ihre spirituelle oder existenzielle Bedeutung in unserem Leben weitgehend verloren. Sie erscheinen uns heute eher als unangenehme, aber banale Verhaltensweisen, als Marotten und Neurosen, aber auch als zeitgemäße Strategien der Erfolgs– und Lustmaximierung oder der Selbstbehauptung.

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Werbeflagge Belgien 1983 mit Warnung vor dem Hochmut

Sünder treten heute nicht mehr als tragische Gestalten sondern als Light-Versionen auf: Konsumdeppen, sonnenstudiogebräunte Selbstdarsteller, Fettsüchtige. Ein Merkmal unserer Zeit ist vielmehr, dass es Lebensbedingungen und Situationen gibt, in denen unsere „sündigen“ Impulse sehr häufig und mitunter systematisch stimuliert werden (Abb. 3). Unsere Wohlstandsgesellschaft unterstützt diese Entwicklung, indem sie uns durch Leistungsorientierung und Konkurrenzdenken Gelegenheit bietet, neidisch oder hochmütig zu sein. Wir werden ständig zu Konsum und Verzehr animiert, da wundert es nicht, wenn anstelle der Hoffnung Verbrechen wie die Hehlerei in unser Leben Einzug halten.

Auftrumpfen und Auf-den-Tisch-Hauen ist heute längst üblich und nacktes Fleisch ein gängiges Marketinginstrument. Wir sind heute mehrheitlich zu opportunistischen Schnäppchenjäger des Glücks mutiert, das uns die kleinen und großen Sünden verheißen.

Auf den roten Teppich!

Blanke Eigenliebe oder radikal narzisstische Selbstbezüglichkeit führen dazu, dass der einzelne Mensch immer mehr in das eigene Ich verstrickt ist und zu sich selbst keinerlei innere reflexive Distanz mehr zu gewinnen vermag.

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Roter Stempel einer böhmischen Teppichfirma aus Böhmen und Mähren 1940

Society-Ranking ist angesagt. Politiker, Künstler: alle kämpfen sie darum - Wer darf denn auf den roten Teppich und wer nicht? Jeder möchte näher bei den Stars sein, egal ob wirklich Künstler oder Adabei - was zählt, ist die Öffentlichkeit.

Die Schattenseite: Der Tourismus entwickelt oft eine oberflächliche Exotik für diese Red-Carpet-Personen, welche die kulturelle Identität der Gastländer mit Füßen tritt.

 

Von Geburt an schuldig

In der zentralen Bitte des „Herrengebets“ (Vater unser) wird uns unterstellt: Wir sind trotz unserer ebenbildlichen Nähe zu Gott notorisch, mehr noch: konstitutiv schuldig.

Die Schuld in der Bibel ist geschlechtlos. Erst in der Kunst des Mittelalters wird Eva zur Verführerin von Adam. In der religiös konventionellen Sprache sind wir aber Sünder, in eitler „amor sui“, der Selbstzentriertheit - oft bei Politikern zu finden. Im Verständnis der Reformation Martin Luthers ist selbst das neugeborene Kind sündig.

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Pitney-Bowes-Maschinenstempel aus 1960 mit gutem Ratschlag

Der Schuldbegriff ist heute zweigeteilt: Wer dem Anderen Geld schuldet oder Waren oder Arbeit, der ist viel schuldig, kann diese Schuld aber auf andere Personen übertragen. Andererseits ist die innere Schuld personengebunden und kann nur vom Schuldner selber verantwortet werden - ggf. den Popen um Nachlass bitten.

Ein Entrinnen aus der Schuld ist nach theologischen Vorstellungen nicht möglich: Und dennoch wurden Paläste gebaut, um den oder die Richter zu bestechen. Der einfache Mensch begegnet der Gerechtigkeit mit seinen Mitteln: „Du bist der Größte, wenn Du Deine Familie zum Essen ausführst!“/

Desperate Housewifes

Unter dem Kontext griechischer Einflüsse führten Übersetzungen der Bibel zum Aristotelischen Denksystem, zur Erotisierung zahlreicher Geschichten und zur Aufnahme von außerbiblischen Traditionen in die Interpretation biblischer Texte.

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Grüner Bandstempel mit eindeutiger Botschaft

Aristoteles bereits trennte oikos (Haushalt) und polis (Gemeinschaft, Staat). Wie Versklavten und Kindern sollte Frauen wegen ihrer unzulänglichen Seele der Zugang zur polis verwehrt bleiben. Bis in die Gegenwart bleibt dieser hierarchische Geschlechtercharakter erhalten.

Die überhöhte Betonung der Differenz von männlich und weiblich wurde in der christlichen Tradition zentral: Die Frau verbunden mit der Natur und der Sünde, der Mann sorgt für das gefüllte Füllhorn und für die Kultur.

Sie ist im Film das Sexsymbol, zuhause Mutter und Wirkende. Die moderne Werbung setzt auf aufreizende Frauen, frei nach dem Motto „Sex sells“.

Der Mann sorgt für Nahrung, eigentlich das Überleben, geht mit Besonnenheit vor (Prudenza) und beschäftigt sich im Gegensatz zur Frau mit der Wissenschaft. Der Frau kommt dabei höchstens die Rolle der Muse zu, aber auch der Verführerin und damit der Sünderin.

Der neue Mensch

Seit Urzeiten ist der Mensch mit sich unzufrieden. Daraus entstand die Sehnsucht nach einem neuen, besseren Menschen. Meist war sie mit der Utopie von einer anderen, besseren Gesellschaft verbunden. Mal sollte am Anfang der neue Mensch stehen, mal die neue Gesellschaft.

Widrige Lebensbedingungen werden mit Utopien behandelt, Erkrankungen mit Schmerzmitteln. Trotz Fleißes fällt bereits das nackte Überleben oft schwer.

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Originalzeichnung Block Liberia 1975 zum 100. Geburtstag von Albert Schweitzer

Während in der Realität Immer wieder Einzelpersonen in den Vordergrund treten und der Menschheit aufzeigen, was sie unter dem „neuen Menschen“ verstehen, versuchen die Vereinten Nationen eine neue Gesellschaft einzurichten, in welcher Friede, Gerechtigkeit und persönliche Sicherheit für alle im Fokus stehen.

Einen etwas anderen Weg wählte Walter Ulbricht für den „Neuen Menschen“: Aus einem leeren Blatt sollte Schritt für Schritt der neue Mensch parallel zur neuen Gesellschaft entstehen. Ob sich diese aus Einzelelementen zu einem idealen Ganzen zusammensetzen lässt, bleibt dahingestellt.